27. Oktober 2016

Das exklusive Hörbuch - Ein Coffee to go in Togo

Eine Buchbetrachtung zu:
Markus Maria Weber, Ein Coffee to go in Togo. Ein Fahrrad, 26 Länder und jede Menge Kaffee
Conbook Verlag, ISBN 978-3-95889-138-8

Auch wenn man schon fast 30 Jahre zusammen lebt, macht man manchmal etwas zum ersten Mal. Diesmal das Vorlesen eines ganzen Buches mit rund 430 Seiten. Das kam so: Anfang September war ich mit meiner Allroundpartnerin beim Gericht, um im dortigen Anwaltszimmer eine berufsrechtliche Angelegenheit zu erledigen (es ging um unsere Identifizierung für die qualifizierte elektronische Signatur [qeS] für die Ausweiskarten zum besonderen elektronischen Anwaltspostfach [beA] - das ist ein Projekt der Digitalisierung des Rechtsverkehrs, das ungefähr so gut startet wie die Eröffnung des neuen Berliner Flughafens [BER]).

Cover "Coffee to go in Togo"Beim Zurückradeln haben wir einen Boxenstop an einem Café eingelegt, um das herrliche spätsommerliche Wetter bei koffeinhaltigen Getränken zu genießen. Die Bestellung führte zur Frage, ob Kaffee "zum hiertrinken oder to go" gewünscht sei. Ich wollte aber keinen "Kaffee Togo" und sagte das auch so, aber die Dame hinterm Tresen hat das Wortspiel ignoriert.

Am nächsten Tag entdeckte meine Frau in der Buchhandlung unseres Vertrauens eine Neuerscheinung mit dem Titel "Ein Coffee to go in Togo" und schenkte mir das Buch. Der Prolog des Reiseberichts hat mir so gut gefallen, dass ich ihn gleich vorgelesen habe - und danach wollte meine Frau mehr hören. Dabei blieb es nicht, und im Laufe der folgenden zwei Wochen habe ich ihr das ganze Buch kapitelweise vorgelesen - eine Premiere unserer Abendgestaltung.

Es liegt wohl an dem vom Autor gewählten Reisemittel Fahrrad und der humorvollen Beschreibung seiner 14.037 Kilometer und ein Jahr dauernden Reise durch 26 Länder in Europa und Afrika, die das Buch für Vorleser und Zuhörerin so spannend gemacht hat. Es wird sehr anschaulich, dass die Ungewissheiten einer Radreise, bei der der Streckenverlauf und manch anderes nur grob geplant ist, den Reisenden vom Touristen unterscheiden: Abenteuer erlebt am laufenden Meter, oder besser: rollenden Kilometer, wer sich seine Wege über Landesgrenzen hinweg durch Landschaften und Orte selber sucht. Ein roter Faden der Erzählung sind die ungewöhnlichen Begegnungen mit Menschen und Tieren, der sehr wechselhafte Zustand der Wegstrecke, der Infrastruktur und der Gepflogenheiten im Straßenverkehr, die körperlichen Grenzerfahrungen, Erfahrungen an Landesgrenzen und nicht zuletzt wechselnde Kaffeegewohnheiten der Völker der durchquerten Landstriche (mit einer gewöhnungsbedürftigen Konstante in Westafrika).

Erwartungsgemäß hat der am Ziel der Reise in Togo erworbene Kaffee to go den Autor nicht überzeugt - gelohnt hat sich die Reise für ihn aber dennoch, und durch seine Schilderung auch für Vorleser und Zuhörerin.

Vielleicht gibt es das Buch ja auch noch als Hörbuch - selber Vorlesen geht aber auch!

16. Oktober 2016

Mathematik und Glücksspiel - Damit müssen Sie rechnen!

Eine Buchbesprechung zu:
Thomas Bronder, Spiel, Zufall und Kommerz
Springer Verlag, ISBN 978-3-662-48828-7

Die Fachliteratur zum Glücksspiel behandelt meistens juristische und ökonomische sowie in jüngerer Zeit auch suchtwissenschaftliche Themen. Mathematische und technische Grundlagen des zufallsabhängigen Spiels um Geld finden demgegenüber kaum Beachtung, was manche Fehlvorstellung über Glücksspiele erklären mag.

Cover "Spiel, Zufall und Kommerz"
Diese Lücke schließt das Buch Spiel, Zufall und Kommerz – Theorie und Praxis des Spiels um Geld zwischen Mathematik, Recht und Realität von Dr. Thomas Bronder. Das Buch wendet sich an alle, die mehr über Aufbau und Zusammenhänge des Spiels und seine rechtlichen und mathematischen Rahmenbedingungen wissen möchten. Mathematik, Recht und Technik sind in kaum einem anderen Gebiet so eng miteinander verflochten wie beim Spiel um Geld. Die mathematischen Grundlagen des Glücksspiels gelten im Übrigen in jeder Welt, sei es die reale oder die virtuelle. Es ist aus mathematischer Sicht bedeutungslos, ob ein Zufallsgenerator in Form programmierter Software in einen Glücksspielautomaten oder in einen Webserver für Online-Casinospiele implementiert ist.
Im Zuge der Darstellung lernt der Leser eine Reihe von bekannten Phänomenen klarer einzuschätzen – und Irrtümer zu vermeiden. So werden unter anderem die Unterschiede zwischen Skat und Poker herausgearbeitet. Deutlich wird auch, dass Poker aus mathematischer Sicht stets Glücksspiel ist, was auch für Turnierpoker gilt. Keinen Zweifel hat der Autor zudem an der Einordnung des Spiels an Geldspielautomaten (auch bei geringen Einsätzen) als Glücksspiel. Auktionen und der Handel an der Börse stellen zwar Spiele mit Zufallseinflüssen dar, gelten aber – in Übereinstimmung mit der Spieltheorie – rechtlich nicht als Glücksspiel, wenn sie für alle Beteiligte einem wirtschaftlichen Zweck dienen. Andererseits gehen Börsenanalysten und Systemspieler nach dem gleichen System vor: Sie sehen Muster und können alles genau erklären – im Nachhinein. Erfolgreiche Systemspiele existieren nicht; erfolgreich ist allenfalls der Verkauf von Büchern über sie. Anschaulich sind die Anforderungen an Zufallsgeneratoren, deren Vormarsch als programmierte Software in Geräten und im Internet unaufhaltsam ist. Und schließlich macht das Verständnis der mathematischen Gesetzmäßigkeiten des Glücksspiels dem Leser deutlich, dass sich Glücksspiele unter idealtypischen Bedingungen einschließlich regelkonformer Spielteilnahme nicht zur Geldwäsche durch Spieler eignen.

Nebenbei werden auch die wechselseitigen historischen Bezüge zwischen Glücksspiel und Mathematik deutlich, beginnend spätestens im 16. Jahrhundert mit dem Aufkommen von Würfelspielen, die Gegenstand mathematischer Werke in der Renaissance auf der Grundlage von Übersetzungen arabischer Werke waren. Die im 17. Jahrhundert verbreiten Kartenspiele und Lotterien haben mathematische Verfahren zu Berechnung von Chancen (Kombinatorik) befördert. Um 1700 hat Jacob Bernoulli, Begründer der mathematischen Stochastik, das Gesetz der großen Zahl gefunden und anhand des Münzwurfs und der einfachen Chancen beim Roulette mathematisch bewiesen. Das Gesetz der großen Zahl bildet seither die theoretische Basis für Versicherungen und Rentenzahlungen, aber auch zur Konstruktion beliebiger Spielregeln und Gewinnpläne von Lotterien, Buchmacherwetten und anderen Glücksspielen. Im Zeitalter der Aufklärung wurde parallel zum Aufkommen des Roulette die Wahrscheinlichkeitstheorie entwickelt, ausgebaut in den 1930er Jahren als exakte axiomatische Wahrscheinlichkeitstheorie. In den 1920er Jahren entstand die Spieltheorie, die heute breite Anwendung als Entscheidungstheorie vornehmlich in der Ökonomie, aber auch in Politik und Soziologie findet. Ende der 1950er Jahre wurde erstmals auf Rechnern die Monte-Carlo-Methode angewendet – für theoretische Voraussagen bei der Entwicklung der Wasserstoffbombe –, basierend auf Permanenzen eines Roulettekessels des Casino Monte Carlo. Zufallsgeneratoren werden heutzutage genutzt für Klimasimulationen, Kryptologie und zur Hochrechnung etwa von Wahlergebnissen.

Es wird deutlich, dass die Beschäftigung mit Gesellschaftsspielen und Glücksspielen die Mathematik befruchtet hat. Leider ist das Sach- und Stichwortverzeichnis etwas knapp ausgefallen; behelfen kann man sich insoweit mit dem für 9,99 Euro erhältlichen eBook.